Moorbotanik: In die Binsen gegangen!

Wenn etwas „in die Binsen geht“, dann ist es missglückt bzw. verloren gegangen. Diese Redewendung kommt vermutlich aus der Jägersprache: Wenn Enten die Gefahr durch die Jäger wahrnehmen, so fliehen sie in die dichte Ufervegetation, in Schilf- oder Binsenbestände. Dort sind sie vor den Blicken der Jäger verborgen, also nicht mehr jagdbar: gut für die Enten, aber schlecht für die Jäger! Ist aus Sicht der Jäger ein Jagdversuch missglückt, so ist er in die Binsen gegangen (vgl. Kremer & Oftring 2013, 193).

Flatter-Binse (Trautzke-Seen und Moore: Trautzke-3), Mai 2021

Binsen sind die namensgebende Gattung in der Familie der Binsengewächse (Juncaceae). „In Mitteleuropa gedeihen etwas 20 Arten. Sie sind vor allem in Uferzonen, auf Feuchtwiesen, in Mooren und Sumpfgebieten zu finden. Sie sind als Futterpflanze wertlos, und das Vieh meidet die harten Stängel. Einige Binsen sind als Zierpflanzen für Gartenteiche und Sumpfbeete beliebt. Früher wurden sie vor allem als Flechtmaterial für Matten, Körbe und Fischreusen verwendet. Allerdings ist der Namensursprung von lat. ‚jungere‘ = ‚binden‘ umstritten“ (Lüder 2018, 183).

Ein typisches Merkmal von Binsen ist, dass sie knotenlose Stängel haben – daher kommt auch der Ausspruch „Binsenwahrheit“ bzw. „Binsenweisheit“, welcher sich auf die alten Römer zurückführen lässt: „Vermutlich im Anschluß an l. quaerere in scirpo nodum ‚in der Binse einen Knoten suchen‘ = ’sich unnötige Mühe machen‘ (weil die Binse keine Knoten hat); also etwa ‚eine Weisheit, die man nicht suchen muß, die offen zutage liegt'“ (Kluge 198922, 86).

Flatter-Binse (Trautzke-Seen und Moore: Trautzke-3), Mai 2021

Der Blütenstand von Flatter-Binsen ist in Form einer Spirre und seitenständig (d.h. seitlich vom Stängel abstehend), was besonders im Herbst markant ins Auge fällt:

Juncus effusus (Flatter-Binse), November 2020

Ein weiteres Merkmal der Flatter-Binse ist der elliptisch-runde, dunkelgrün glänzende Stängel (wie gesagt: ohne Knoten), welcher im Inneren mit einem durchgehenden weißen, schwammigen Gewebe gefüllt ist, dem Aerenchym. Das ist ein typisch für den sumpfigen Standort ausgebildetes Durchlüftungsgewebe. „Früher wurde dieses Mark wegen der trockenen Konsistenz mit seiner Sogwirkung als Lampendocht verwendet. Es lässt sich leicht mit dem Fingernagel aus dem Stängel schieben“ (Lüder 2018, 184).

Stängel der Flatter-Binse im Querschnitt, April 2021
Aerenchym (Durchlüftungsgewebe) aus dem Stängel der Flatter-Binse herausgeschält, April 2021

Das durchgehende Mark im Stängel ist ein charakteristisches Kennzeichen für die Flatter-Binse (Juncus effusus), denn andere Arten, z.B. die Blaugrüne Binse (Juncus inflexus), haben etagenweise Markschichten in ihren runden Hohlstängeln. „Durch die großen Zwischenräume (sog. Interzellularen oder Lakunen) dieses schwammartigen Gewebes wird ein optimaler Gasaustausch und eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff ermöglicht. […] Die luftgefüllten Räume und das Durchlüftungsgewebe dienen zusätzlich der Schwimmfähigkeit. Werden Pflanzen im Uferbereich durch Tiere oder Hochwasser von ihrem Standort gerissen, können sie lange auf der Oberfläche treiben, ohne abzusinken, und an einem anderen Ort Fuß fassen“ (Lüder 2018, 184).

Aerenchym: links Flatter-Binse (Juncus effusus), rechts Blaugrüne Binse (Juncus inflexus)
[Quelle: Lüder 2018, 183]
Flatter-Binse mit Spirre (Trautzke-Seen und Moore: Trautzke-3), Mai 2021

Quellen:
Kluge, F. (198922). Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin. Walter de Gruyter.
Kremer, B.P. & Oftring, B. (2013). Im Moor und auf der Heide. Natur erleben – beobachten – verstehen. Bern. Haupt.
Lüder, R. (2018). Grundlagen der Feldbotanik. Familien und Gattungen einheimischer Pflanzen. Bern. Haupt.

Moorbotanik: Oj wej, eine Carex!

Tja, eigentlich könnte ich aufschreien: „Oj wej, ein Gras!“ Mit den Gräsern beschäftige ich mich nämlich erst seit Kurzem – wer ernsthaft Moormonitoring betreiben will, muss sich eben mit Gräsern auseinandersetzen;-) Und das ist ein weites Feld …

Seggenbult (Trautzke-Seen und Moore: Trautzke-4), Mai 2021

CAREX sp. [sp. = species; wenn man eine Grasart nicht genau bestimmen kann, fügt man dem Gattungsnamen „sp.“ an und meint damit, dass diese Art zur Gattung Carex (Segge) gehört – wenigstens eine erste Kategorisierung]: Seggen zählen zur Familie der Sauergräser (Cyperaceae), andere Gattungen der Sauergras-Familie, ebenfalls in Feuchtgebieten vorkommend, sind bspw. Simse (Scirpus) und Wollgras (Eriophorum).

„Mit über 100 Arten ist diese Gattung die weitaus größte innerhalb der Sauergräser. Ihr Name geht auf das alteuropäische Wort ’sek‘ für ’schneiden‘ zurück und bezieht sich auf die schneidend scharfen Blattränder. Dies findet sich auch im wissenschaftlichen Gattungsnamen Carex wieder. ‚Secare‘ bedeutet lateinisch ’schneiden‘, und ‚carrere‘ steht für ‚kratzen‘, so wurden diese Gräser ‚kratzendes Gestrüpp‘ genannt. Umgangssprachlich werden Seggen auch Riedgräser genannt und die Riedgrasbestände Sauerwiesen. Dies bedeutet so viel wie ‚wertloses Grünland‘ und ist auf den geringen Futterwert der Seggen zurückzuführen. Allerdings wurde das Heu der Seggenriede als Einstreu für Tiere genutzt. Die Feuchtwiesen sind entstanden, als der Mensch begann, die Feuchtwälder entlang der Bäche und Seen in Grünland zu verwandeln. Die meisten Arten gedeihen auf feuchten Standorten“ (Lüder 2018, 169).

Bei den Seggen, die ich in den Trautzke-Seen und Mooren gefunden habe, tippe ich anhand der Blüten auf Carex cespitosa, Rasen-Segge, eine typische Moor-Segge:

„Die Rasen-Segge (Carex cespitosa) bildet auf Sumpfwiesen dichte Horste. Hier sind die oberen männlichen Ährchen mit den heranreifenden Staubbeuteln zu sehen. Darunter befinden sich die weiblichen Ährchen“ (Lüder 20157, 237).

Rasen-Segge
[Quelle: Lüder 20157, 237]
Seggenbult (Trautzke-Seen und Moore: Trautzke-3), Mai 2021

Quellen:
Lüder, R. (20157). Grundkurs Pflanzenbestimmung. Wiebelsheim. Quelle & Meyer.
Lüder, R. (2018). Grundlagen der Feldbotanik. Familien und Gattungen einheimischer Pflanzen. Bern. Haupt.